Wer sich neben dem Training auch mit den damit verbundenen Vorgängen im Körper beschäftigt, stößt oft auf die Begriffe aerobe/ anaerobe Energiegewinnung, -Schwelle und -Trainingsbereiche. Doch was bedeutet das?
Einfach gesagt läuft die Energiebereitstellung (Umwandlung von Nährstoffen in Energie) im Körper in zwei Zuständen ab: unter Verwendung von Sauerstoff (aerob – Fettverbrennung) und/oder Sauerstoffschuld (anaerob – Aufspaltung von Glukose). Diese Vorgänge sind sehr komplex und fließend. Hier mal der Versuch einer Erklärung:

Um Muskelarbeit verrichten zu können benötigt der Körper Energie. Je nach Belastung mal mehr oder mal weniger. Aber auch im vermeintlich völligen Ruhezustand benötigen wir Energie, da unabhängig von unserem Willen Herz, Atmung, Verdauung und die Versorgung des Gehirns funktionieren müssen. Dafür stehen dem Körper 3 Energiespeicher zur Verfügung: Fett-, Kohlenhydrat- und Eiweißspeicher.
Der bei der Muskelarbeit stattfindende Verbrauch aus den Energiespeichern muss über die Nahrung wieder aufgefüllt werden. Das heißt, dass die Nahrungsaufnahme zunächst einmal dazu dient, einen ständigen Mangelzustand an Nährstoffen auszugleichen. Theoretisch würde es damit reichen, alle notwendigen Nährstoffe in einem Mixer zusammenrühren und uns bei Bedarf zuführen (Trinken oder sogar Intravenös). Das würde eine Menge Zeit sparen (z.B. Tisch decken, Kerzen anzünden, hinterher Geschirr abwaschen usw.).  Doch zum Glück beschränkt sich die Nahrungsaufnahme nicht nur auf den Ausgleich eines Mangelzustandes. Essen hat auch einen nicht unwesentlichen psychologischen Einfluss auf uns. Mit Essen belohnen wir uns nämlich auch. Der Scherz, dass gutes Essen der Sex des Alters sei, trifft es dabei recht gut, nur dass weder Sex noch Essen etwas mit dem Alter zu tun haben. Essen ist auch ein Vorgang, welcher Glückhormone freisetzt. Warum sonst essen wir am liebsten das, was uns schmeckt, würzen unsere Speisen, essen am liebsten in angenehmer Atmosphäre (also das mit den Kerzen), bereiten Speisen schön zu usw.?

Im Wesentlichen bestehen unsere Nahrungsmittel (Stoffe, welche der Körper nur über die Nahrung aufnehmen kann) aus:

  1. Kohlenhydrate (Stärke) – Energie für kurzzeitige Leistungsspitzen
  2. Fette – Energie für lange Ausdauerleistungen und Basisfunktionen (Herz, Verdauung, Atmung…)
  3. Eiweiße (Proteine) – überwiegend Zellbaustoff, aber auch begrenzt Energielieferant
  4. Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente = greifen regulatorisch, steuernd und beschleunigend in den Stoffwechsel ein
  5. Wasser – Transport der Näherstoffe und Temperaturregulierung
  6. Reine Genussmittel wie Gewürze usw.

Muskelarbeit bedeutet Kontraktion also Zusammenziehen und strecken des Muskels indem unzählige Muskelfasern (Filamente) ineinander gleiten. Dafür benötigen die Muskelfasern Energie, welche durch das Phosphat ATP (Adenosintriphosphat) bereitgestellt wird. ATP ist in den Muskeln ständig vorrätig, allerdings in so geringer Menge, dass die Energie für kaum mehr als ein paar Sekunden Muskelarbeit ausreicht. ATP muss also ständig neu gebildet werden. Dafür stehen als Energielieferanten Fette Kohlenhydrate und Eiweiß zur Verfügung.
Fette haben eine hohe Energiedichte und unsere Fettspeicher sind gefühlt unendlich groß. Tatsächlich würde diese Menge rein rechnerisch ausreichen, dass wir ununterbrochen stundenlang laufen könnten. Praktisch sind wir aber kaum in der Lage dazu, da Kreislauf, Gelenke und Sehnen dieser Belastung im untrainierten Zustand kaum standhalten.

Zur Bereitstellung von Energie aus Fett (Fettverbrennung) wird ausreichend Sauerstoff benötigt. Das in der Lunge über die Atmung mit Sauerstoff angereicherte Blut wird vom Herzen unter anderem zu den Muskeln gepumpt. Solange der Energiebedarf moderat ist, reicht der so aufgenommene Sauerstoff aus. Bei steigender Belastung wird mehr Sauerstoff benötigt. Der erhöhte Bedarf wird durch eine stärkere Atmung und höhere Herzfrequenz abgedeckt. Solange hier kein Defizit auftritt sprechen wir von aerober (mit Sauerstoff) Energiegewinnung.

Steigt die Belastung über die Schwelle bei der nicht mehr ausreichend Sauerstoff zur Verfügung gestellt werden kann, weil Lungenvolumen und Herzleistung nicht mehr ausreichen, spricht man von Sauerstoffschuld. Hier geht die Energiegewinnung von der Fettverbrennung in die Energiegewinnung aus Kohlenhydraten über. Wir sprechen dann von anaerober (unter Sauerstoffschuld) Energiegewinnung. Rein chemisch sind Kohlenhydrate unterschiedlich lange Ketten von Einzelzuckermolekülen. Diese werden in den Muskelzellen durch spezielle Enzyme mit Sauerstoff in Verbindung gebracht und liefern damit Energie. Auch hierbei wird Sauerstoff benötigt, allerdings viel weniger als bei der Fettverbrennung. Energie aus Kohlenhydraten steht sehr schnell zur Verfügung und ist ein wahrer Energieschub. Da die Kohlenhydratspeicher sehr viel kleiner als die Fettspeicher sind, reicht die Energie aus Kohlenhydraten aber je nach Trainingszustand gerade mal für 1-2 Sunden. Auch wenn man durch Training eine (moderate) Erhöhung der Speicherkapazität erreichen kann, wird sich die Dauer der Verfügbarkeit nur unwesentlich erhöhen.

Die Energiegewinnung aus Eiweiß setzt nur im absoluten Ausnahme/ Notfall ein, nämlich wenn alle anderen Energiespeicher entleert sind und trotzdem noch Energie zur Erhaltung der Basisfunktionen (Herz, Atmung, Verdauung) benötigt wird.

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Aber muss man das alles wissen? Nein, natürlich nicht, man kann auch einfach so losrennen.
Wer jedoch mit dem Training bestimmte Ziele verfolgt, sollte die Zusammenhänge schon kennen. Viele wollen ja neben einer Verbesserung der Fitness auch ihr Gewicht durch Sport reduzieren. Um das zu erreichen ist es eben sehr wichtig im Bereich der Fettverbrennung zu trainieren (aerober Bereich). Besonders effektiv ist hier das Training im oberen aeroben Bereich, also kurz vor dem Übergang zum anaeroben Bereich.

Um zu ermitteln wann die aerobe Schwelle überschritten wird, also der Punkt ab dem die anaerobe Energiegewinnung einsetzt, hat sich die Messung der Laktatkonzentration im Blut als Standard durchgesetzt.
Bei der Energiegewinnung aus Kohlenhydraten (Aufspaltung von Zucker) entsteht nämlich als „Abfallprodukt“ Laktat, ein Salz der Milchsäure. Das ist zunächst einmal nicht kritisch, da Laktat in der Leber wiederum zum Teil in Energie umgewandelt wird. Steigt die Belastung so weit, dass das Laktat nicht mehr abgebaut/ umgewandelt werden kann, kommt es zu einer erhöhten Konzentration von Laktat im Blut, welches man auch durch „Brennen“ in den Muskeln spürt. Das kann man durchaus auch selber testen, in dem man im Fitnessstudio an der Beinpresse mit großen Gewichten bis zur Erschöpfung trainiert. Beinpresse deshalb, weil sich an den Oberschenkeln unsere größten Muskeln befinden und man mit entsprechend hoher Belastung hier recht schnell eine hohe Laktatkonzentration erreicht.
Eine weitere Variante der Bestimmung ist die Auswertung der Ausatemluft während des Trainings auf einem Laufband. Hier hat der Proband eine Atemmaske auf, von der ein Schlauch zum einem Analysegerät geht. Beide Methoden (Blut, Atemluft) sind natürlich nur in speziellen Einrichtungen möglich.

Selbst kann man die Schwelle auch über die Pulsmethode bestimmen. Dafür muss man zunächst einmal seinen Maximalpuls ermitteln, daraus die prozentualen Trainingsbereiche und damit die grobe anaerobe Schwelle ableiten. Da diese Methode aber von vielen Einflüssen abhängt, kann sie nur sehr ungenau sein. Besonders bei der die Bestimmung des Maximalpuls über die sogenannte Belastungsmethode sollte man sich darüber im klaren sein, dass man hier mehrfach an seine absolute Belastungsgrenze geht. Gerade für Anfänger ist das Risiko der Überlastung (Kreislauf und Bewegungsapparat) dabei sehr hoch. Ohne Belastung lässt sich der Maximalpuls auch rechnerisch über die Formel 220 minus Alter ermitteln. Diese Methode ist allerdings auch nur ein sehr grober Anhaltspunkt, da hierbei weder Trainingszustand, Geschlecht, Körpergewicht und Herz/ Atemleistung berücksichtigt wird.
Für Anfänger die einfachste Variante innerhalb der Fettverbrennung zu bleiben ist es, sich nur so stark zu belasten, dass man sich dabei noch unterhalten könnte. Dies ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass Atmung und Herz den Muskeln noch ausreichend Sauerstoff zur Verfügung stellen können.

Zusammenfassung:

Wie hoch der Anteil von Fett und Kohlenhydraten an der Energiebereitstellung ist, hängt somit zu einem hohen Teil von der Belastungsintensität ab.
Im Ruhezustand und bei moderater Belastung, wenn die Sauerstoffversorgung der Muskeln ausreichend ist, nutzt der Körper vorwiegend Fette (aerob).
Bei steigender Belastung, wenn ein Defizit der Sauerstoffversorgung entsteht verwenden die Muskeln bevorzugt Kohlenhydrate (anaerob).
Wer also abnehmen will sollte vorwiegend im Bereich der Fettverbrennung trainieren. Doch selbst dann ist es gut in sein Trainingsprogramm Belastungsspitzen einzubauen (siehe auch Artikel) oder auch einmal bis an seine Leistungsgrenze zu gehen. Das bringt Abwechslung in das Training und verbessert auch die Fitness, was nichts anderes bedeutet, dass der Körper trainiert wird, mit wechselnden Belastungen besser zurechtzukommen (siehe auch Artikel). Besonders wirkungsvoll ist dabei ein Wechsel aus Konditions- und Krafttraining.

Artikel wird fortgesetzt…